2023 | 04. September
Interview: «Mit Sinn, Selbstbestimmung und Transparenz die Gen Z abholen»
Die Zürcher Kommunikationsagentur JEFF wurde 2011 von Millenials gegründet, beschäftigt aber inzwischen viele Angehörige der als anspruchsvoll geltenden Generation Z. HR-Leiter Adrian Ryser erklärt, wie JEFF die nach 1997 Geborenen bei der Stange hält.
Interview: Andreas Minder
Andreas Minder: Rund ein Drittel ihrer Angestellten zählen zur Generation Z. Was bedeutet das für das Personalmanagement?
Adrian Ryser: Man muss verstehen, was der Generation Z wichtig ist. Sinnstiftung ist ein zentrales Stichwort. Wir versuchen dies im beruflichen Alltag zu berücksichtigen. Die Arbeitsprozesse sind so angelegt, dass die Mitarbeitenden einen Impact generieren können. Sie sehen am Abend, wofür sie gearbeitet haben und können so für sich persönlich sinnstiftend arbeiten.
Wie zeigt sich das konkret?
Selbstbestimmung ist ein grosser Teil sinnstiftender Arbeit. Dies versuchen wir zu fördern, in dem schon junge Projektmanager Verantwortung für Budgets und Kunden übernehmen und so eigenverantwortlich arbeiten können. Diese Möglichkeit ist attraktiv für junge Menschen, um sich weiterzuentwickeln.
Wie verträgt sich die Hierarchie bei JEFF mit Selbstbestimmung?
Bei JEFF haben wir eine klassische, aber flache Hierarchie. Wir haben auch schon darüber diskutiert, ob das noch zeitgemäss ist. Hierarchien ganz aufzulösen, scheint mir aber kein Anliegen der Generation Z zu sein. Ich spüre eher die Erwartung, dass das Management entscheiden soll. So können sich die Leute auf ihre Themen und ihre Verantwortlichkeiten fokussieren. Die Entscheide der Geschäftsleitung müssen einfach begründet werden und konsistent sein. Und ganz wichtig ist, dass man durch alle Hierarchieebenen hindurch Feedback geben kann. Jeder Mitarbeitende kann auf unseren CEO zugehen und sagen, hey, ich sehe da ein Potenzial für eine Verbesserung. Diese Offenheit wird von allen bei JEFF geschätzt und gelebt.
Was gehört noch zu ihrer Arbeitskultur?
Der transparente Einbezug als Gegenstück zur Hierarchie. Wir sagen den Leuten, was wir machen und warum. Wir nehmen sie mit auf die Reise. Die Geschäftsleitung versucht die Mitarbeitenden einzubeziehen, wo es sinnvoll ist. Auch mit dem Risiko, dass sie eine andere Meinung als das Management haben. Aber dieses Risiko muss man eingehen. Es bringt nichts, wenn etwas entschieden wird, dass die Basis nicht will. Natürlich braucht es hier eine gewisse Balance. Wenn wir wegen jeder Kleinigkeit alle Mitarbeitenden befragen würden, hörte ich beim Kaffee bald mal den Spruch: «Wofür bekommt ihr den Lohn, wenn ihr nur noch Fragebögen aufsetzt und wir alles entscheiden sollen?»
Adrian Ryser (Head of HR & Managing Partner)
Was für Wünsche der Basis wurden schon umgesetzt?
Letztes Jahr wurde in einer Feedbackrunde bemängelt, dass die Löhne nicht konsistent seien. Wir haben uns deshalb nach einer Analyse für ein transparentes Lohnsystem entschieden. Das heisst nicht, dass wir eine Liste aufhängen, auf der steht, wer wie viel verdient, sondern, dass wir die Löhne aufgrund ganz klarer Kriterien definieren. Jede und jeder wird über den gleichen Kamm geschoren. Das System haben wir im letzten Herbst in Eigenregie entwickelt, es allen erklärt und darüber abstimmen lassen. Es wurde sehr deutlich befürwortet.
Wie sieht es mit flexiblen Arbeitsmodellen aus?
Wir machen möglichst wenig Vorgaben. Am Ende des Tages muss die Arbeit gemacht sein und das Ergebnis stimmen. Wie man zu diesem Ziel kommt, überlassen wir den Mitarbeitenden grösstenteils selbst. Nachteulen müssen nicht morgens um halb acht Uhr auf der Matte stehen. Überhaupt muss man nicht immer ins Büro kommen, sondern kann auch von zuhause oder unterwegs arbeiten. Natürlich gibt es Grenzen, aber weil wir versuchen, flexibel zu sein, sind auch die Mitarbeitenden flexibel, wenn es mal nötig ist. Übrigens, es ist nicht so, dass alle das ganze Jahr irgendwo auf der Welt arbeiten. Unser Hub ist immer noch unser Büro. Der direkte Kontakt zu Mitarbeitenden und Kunden bleibt zentral.
Wie sieht Ihre Fluktuationsrate aus?
In der Agenturwelt bleibt ein Mitarbeiter durchschnittlich zwei Jahre. Bei uns sind es etwas über drei Jahre. Die Fluktuationsrate ist aus HR-Sicht eine wichtige Kennzahl, dennoch bin ich kein grosser Fan davon. Einerseits, weil wir uns noch im Wachstum befinden, was auch einen Einfluss auf die Rate hat. Andererseits fehlt der qualitative Aspekt komplett. Wenn mir jemand nach drei, vier Jahren sagt: Es war lässig, aber ich möchte mal etwas anderes machen, dann ist das für uns kein Misserfolg.
Finden Sie leicht neue Mitarbeitende?
Seniors und Fachspezialistinnen sind schwierig zu finden, auch für uns. Deshalb setzen wir stark auf die aktive Suche. Wir stellen nicht ein Inserat ins Internet und warten, was passiert. Wir suchen aktiv Leute, die auf die Stelle passen könnten, wobei wir uns stark auf das grosse Netzwerk unserer Mitarbeitenden und Partner stützen. Viele Dossiers kommen so zu uns. Um die Leute dann zu gewinnen, versuchen wir, unsere Kultur so gut wie möglich zu erklären. Keine Selbstbeweihräucherung, sondern ehrlich und transparent in Worte fassen, was JEFF ist.
Die Geschäftsleitung und die Seniors von JEFF gehören alle der Generation Y an. Lassen sich deren Ansprüche gut mit jener der Generation Z in Einklang bringen?
Die beiden Generationen beeinflussen sich gegenseitig positiv. Ich merke bei mir selbst, dass ich mir mehr Gedanken über den Sinn der Arbeit, zur Work-Life-Balance oder über Nachhaltigkeit mache – dank der Generation Z.
Und wie wird die Gen Z von den Millenials beeinflusst?
Von uns können sie lernen, dass man sich auch mal durchbeissen muss. Zum Beispiel ein angefangenes Projekt abschliessen und erst danach darüber nachdenken, was man in einem nächsten Projekt besser machen könnte. Da fliessen Werte ineinander und verbinden sich zu etwas Gutem.